Montag, 9. Januar 2017

Kunst und Stadt

Zukunft bedenken und Zukunft stiften.

Kriterien der Nachhaltigkeit zeitgenössischer Kunstprojekte im öffentlichen Raum

Der Beitrag von Carole Kambli spricht über die Beziehung zwischen Kunst und Stadt, Partizipation und Öffentlichkeit. Es geht um das Miteinbeziehen der Bevölkerung aller Quartiere.
»Stadt« als Adressat meint in erster Linie die städtische Gesellschaft –  Menschen, die die Stadt bewohnen, besuchen, passieren, hier studieren oder arbeiten – wobei die Mitarbeiter der Stadtverwaltung genauso eingeschlossen werden wie die Ausstellungsmachenden selbst. Wenn ich hier nun über die Nachhaltigkeit von Ausstellungsprojekten schreibe, verstehe ich als »Zukunft bedenken und Zukunft stiften«3. Es bedeutet, in Kreisläufen und Prozessen zu planen und zu handeln und dabei kulturelle Werte4 zu entwickeln, die nicht zerstörerisch sind. Dies kann durch Bewahren, aber auch durch Infragestellen und Innovation geschehen. 
Als Beispiel gelungenes Beispiel beschreibt Kambli die
Nase in Zug!
Der Künstler Luca Degunda hat für »Lost in Tugium« dem historisch bedeutenden Zuger Pulverturm eine »Nase« aufgesetzt – eine skulpturale Installation von mehr als zwei Metern Höhe – und diesem so eine neue Geschichte eingeschrieben.
Degunda verwies damit auf sprachliche Redewendungen und Ausdrücke, die sich auf die Nase beziehen – so kann man immer der Nase nach gehen, man ist anderen eine Nasenlänge voraus, und manchmal sieht man nicht bis zur eigenen Nasenspitze, auch wenn man etwas direkt vor der Nase hat. In der Auseinandersetzung mit dem öffentlichen Raum sollte die Stadtbevölkerung herausfinden und artikulieren, wie sie ihre Stadt sehen und wie sie ihre Stadt haben möchten. Dass dieser Dialog nachhaltig geführt wurde, verdankte sich nicht zuletzt einer Interpellation eines Politikers der Schweizerischen Volkspartei, der bemängelte, dass diese Nase auch nach Ende der Ausstellung noch am Turm hängen blieb und so das kulturträchtige Gebäude verschandele. Indem diese Äusserungen an die Medien weitergereicht wurden, entspannte sich in der Bevölkerung rasch eine Debatte über die Erwartungen an zeitgenössische Kunst im öffentlichen Raum, wobei Fragen nach der Funktion und der angemessenen Ausstellungsdauer von Kunstwerken diskutiert wurden. Die Zuger »Turm-Nase« wurde medial kurzerhand zum Politikum erklärt, und auch der Umzug der von der Stadt angekauften »Nase« an einen neuen Standort in der Presse eifrig kommentiert. Es gelang diesem Projekt dank seinem Symbolcharakter, der Thematik der Kunst im öffentlichen Raum nachhaltig Aufmerksamkeit und Aktualität zu geben. »Die Nase« löste Kontroversen aus, förderte den Dissens und trieb die Meinungsbildung in der Bevölkerung voran, die bis heute anhält. Nachhaltig war dieses Projekt aber auch durch sein Potential, die Wahrnehmung der Stadt zu verändern, der Stadt ein neues Gesicht zu geben, einen geschichtlichen Ort neu zu markieren, zur Orientierung beizutragen und eine zusätzliche Erfahrungsdimension durch Erinnerung zu eröffnen. Stellte sich nach dem Abbau der Nase bei einigen Betrachtern des Pulverturms ein Gefühl der »Lücke« ein, so bot die Hängung der »Nase« an ihrem neuen Standort, einem Verwaltungsgebäude in der Innenstadt, ganz neue Möglichkeiten, nachhaltig zu wirken.

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