10.
November
Neid, persönliche Abneigung und Eigennutz
lösten die Bande der Eintracht und das Streben für eine schöne Zukunft, dann
noch das Unglück, das das Fieber unter uns anrichtete und das ganze Unternehmen
dem gänzlichen Scheitern nahe brachte, denn es fehlte nur noch ein Schritt, so
wäre die ganze Republik New-Helvetia nur noch in meiner Wenigkeit repräsentiert
gewesen. Die Unzufriedenheit erreichte von allen Seiten einen solchen Grad,
dass alle fort wollten; im Anfang konnten fast keine Lebensmittel angetrieben
werden, das Fleisch war bald stinkend und voller Würmer, Speck und
Welschkornbrot wollte keinem schmecken, dazu die schwere, ungewohnte Arbeit bei
einer grossen Hitze ...
Kurz, es
schien sich alles vereinigen zu wollen, das hoffnungsvolle Unternehmen noch ehe
der Grund gelegt war, zu zerstören. Hätten wir hingegen ein zweites Haus bauen
können, dass die Familien und Ledigen hätten abgesondert wohnen können, dass
Letztere nicht Tag und Nacht das Geschrei und anderes der Kinder beständig
hätten hören und mitansehen müssen, und wir nur etliche Acres Land hätten
klären und mit Weizen säen können, so wäre alles anders gestanden; mit der
Krankheit steigerte sich die Unzufriedenheit, wozu sich das Heimweh gesellte.
Wir befanden uns alle in einem bejammernswerten Zustand. ... und dennoch gab
ich die Hoffnung nicht auf, wenn auch alles fortgegangen wäre, so wäre ich
allein hier geblieben...
Unsere Wahl
der Niederlassung hätte vielleicht auch besser sein können, aber ich verstand
so wenig davon als die andern; aber in der kurzen Zeit haben wir so viel
gelernt, dass, könnten wir wieder von vorn anfangen, das Resultat sich besser
herausstellen sollte. Wir haben allerlei Fehler begangen, dafür habe ich keine
Entschuldigung ...
Denn ich
hatte doch viel Vorzüge gegen meine vorigen Verhältnisse; wenn ich anfangs
schon nur anderthalb Fuss breiten Platz und eine Handvoll Stroh zum Schlafen
hatte, so wohnte ich doch im eigenen Haus und auf unserem Land; ich kann unser
Pferd reiten, und sollte ich sterben, so werde ich auf unserem Land begraben...
unser Lebensunterhalt ist ganz einfach: des Morgens haben wir eine Suppe oder
Kaffee und Welschkornbrot oder Polenta dazu, Mittags, Suppe, Fleisch, Erdäpfel
und weisse Bohnen oder Erbsen dazu, und des Nachts wie am Morgen; Wein oder
Bier haben wir noch nicht gesehen, viel weniger getrunken, und mit dem
Branntwein wollen wir der üblen Folgen wegen nichts zu schaffen haben ...
Hier lässt
sich ohne Geld ebenso wenig ausrichten wie anderwärts. Im ganzen führen wir ein
beschauliches Leben, man gewöhnt sich so nach und nach an die Verhältnisse,
hoffend, dass es besser komme, wir haben Tag und Nacht ein lustiges Feuer im
Kamin brennen, brauchen aber wöchentlich auch 1 ½ Klafter Holz, wer gesund ist
arbeitet den Tag über was die Notwendigkeit erfordert und des Abends sitzen wir
beisammen, erzählen uns allerhand und rauchen wohlfeile Zigarren, denn wir
machen sie selbst und den Tabak fechten wir bei den Nachbarn.
15.
November
Es war
anfangs der Woche so kalt, dass 3 Meilen unterhalb von uns der Osage überfroren
war...
Was ich daher
jedem raten möchte, ist, dass er alles so macht, wie es die machen, welche
schon lange da sind, wenn es ihm am Anfang auch verkehrt vorkommen sollte, er
wird alsdann viel besser fahren als wenn er seinem eigen Kopf folgt.
Auszüge aus dem Tagebuch
gelesen von Bruno Schlatter
15.
Dezember Brief
Es tut mir
in der Seele weh, dass ich euch nicht alles von uns gehoffte Erfreuliche aus
der neuen Heimat jetzt schon berichten kann; erschreckt aber deshalb nicht,
denn aller Anfang ist schwer, und schwerer als jede Arbeit ist es, mit
verschiedenartig gesinnten Menschen in Gemeinschaft etwas anzufangen und
auszuführen. Ist aber nur einmal ein rechter Anfang gemacht, so ist mir auch
für die Zukunft nicht bange, denn hier ist Raum genug für viele tausend
Menschen, die sich gegenseitig glücklich machen können, wenn sie nur ernstlich
wollen. ... Wo wir gefehlt haben, ist nicht böser Wille, wohl aber Unkenntnis
schuld daran
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