Aber meine Freunde
waren ziemlich herabgestimmt, als ich die finstern Gesichter meiner Gefährten
erblickte; es hatte nicht ohne Grund alle erbittert, dass etliche der Brauchbarsten,
vom Eigennutz verleitet, zurück blieben, und dass wir, statt ihrer, einen
Haufen Kinder mitbrachten, die uns viel Arbeit, Unruhe und Kosten verursachen
und noch nichts leisten können. .... Für uns neu Angekommenen war kein Obdach,
ja nicht einmal eine Handvoll Stroh vorhanden; ich schlug so gut es gehen
mochte ein Zelt von Leintüchern auf, worunter wir zur Not schlafen konnten.
Foto Kai |
Gestern und heute
mussten wir uns über Hals und Kopf tummeln, dass wir unser Haus mit Schindeln
gedeckt kriegten, denn es fing an zu regnen, und unser Zelt als die Hütte sind
weder luft- noch wasserdicht.
29. September
Gestern Morgen sind
Läuchli und Weber, in Folge stattgefundener Misshelligkeiten und kleinlicher
nichtssagender Zänkereien, von hier abgegangen: mit ihnen ging der Becker,
dessen Gesundheitszustand sehr bedenklich ist, und Bücheler, der die ganze
Woche über bei uns blieb, uns die Türe ans Haus machte und noch sonstige
Arbeiten verrichten half. ... Heute
Morgen war ein starker Reif; wir erfahren von den uns besuchenden Nachbarn,
dass viel Tabak erfroren sei.
6. Oktober
Heute Morgen musste
ich nach Westphalia reisen, um Arzneien und Reis zu holen; es sind Bäbler und
Enderes krank: Venus, Boshardt und Bäblers älteste Tochter Katharina; sie haben
alle das kalte Fieber. Wetzstein, Oertli und ich sind auch nicht ganz
kapitelfest, es fehlt uns an allen Gliedern.
-
In unserer
Nachbarschaft steht ein leeres Haus, das diesen Sommer von zwei deutschen
Familien aufgebaut wurde, aber noch ehe es ganz fertig war, sind alle gestorben
bis an 2 kleine Kinder, welche nun die Nachbarn angenommen haben. ...
4. November
Gestern nachts, punkt
10 Uhr, ist Bäbler gestorben, Er wurde 56 ½ Jahre alt und hinterlässt uns eine
Witwe mit 7 unerzogenen Kindern.
10. November
Heute wurde mir zum
ersten Mal Angst in Amerika; ich ritt diesen Morgen nach Westphalia um Arzneien
zu holen; wie ich wieder halbwegs zurück war, brannte der Wald auf der einen
Seite, das Feuer nahete sich aber so schnell, dass ich mit Galopp einen steilen
Hügel hinuntersprengen musste, wo ich riskierte, samt dem Pferd, Hals und Bein
zu brechen; ich hatte keine andere Wahl, denn hinter und neben mir war das
herannahende Feuer bis auf 6 Schritt, doch kam ich ganz gut hinweg.
10. November
Unser Land besteht nun in 360
Acres und liegt am rechten Ufer des Osage, 7 ½ Meilen oberhalb der Mündung des
Osage in den Missouri, in der 20. und 21. Sektion des Taunschipp 43 im Osage
Country. Das Land bildet 3 Hügel, wovon sich 2 gegen Südost und einer gegen
Südwest abdacht und sich vorzüglich gut zum Weinbau eignen; eine halbe Meile
längs dem Osage ist eine schöne Fläche des besten Bottemlandes; um das Haus
herum können über hundert Acres in eine Fenst gelegt werden; das Haus ist etwa
1000 Schritt vom Osage entfernt, 2 Quellen sind 150 Schritt vom Haus, die so
eben benutzt werden, liefern nicht vom besten Wasser, auch läuft ein kleiner
Bach, die Lee Brench, durch unser Land, aber im Sommer ist, wie in den andern
Flächen allen, in diesen Gegenden kein Wasser. Es sind auch viele Acres unseres
Landes der Steine wegen keiner Kultur fähig ... auch soll unter unserem Land,
wie mir ein alter Nachbar versichert, vieles Bleierz liegen. Auf dem Land ist
die Eiche vorherrschend, aber selten über 3 Fuss dick, dann die Kykery, im
Bottem stehen 5 bis 6 Fuss dicke Platanen ... dann auch sehr Gewild, als:
Hirsche, Hasen, Fischotter, Waschbären, Blosum, Eichhörnchen, Indianische oder
Welsche Hühner, Fasanen, wilde Gänse und Enten ......
Im Osage gibt es viele
Fische ... gepflanzt und ausgeführt, wird aus dieser Gegend viel Tabak, Hanf,
Weizen und Welschkorn, Honig, Wachs, Unschlitt, dürre Häute und Tierfelle. Es
gedeihen hier alle Gartenfrüchte und Obstsorten ... Die Weinreben gedeihen hier
ausserordentlich gut...
...
Mit dem Vieh macht man
sich her auch nicht viel zu schaffen, man lässt es das ganze Jahr durch im
Busch herumlaufen und sich sein Futter selber suchen, nur den Pferden und
Ochsen gibt man zu fressen, wenn man sie zur Arbeit braucht. ... die Schweine
werden, wenn es viele Eicheln gibt, ganz fett ... Die Lebensmittel sind hier
überhaupt sehr billig ... den billigen Preisen der Produkte gegenüber, ist der
Lohn an jeder Arbeit ziemlich hoch... fast jeder produziert alles, was er
braucht selbst, bis an das Salz und Kaffee..
...
Nichtsdestotrotz leben
die Bewohner dieser Gegenden gut, und was mehr wert ist, frei und unabhängig,
ohne Kummer und Sorge, die Steuern sind so gering, dass es fast nicht der Mühe
lohnt davon zu reden ... Aber trotz dem Überfluss auf der einen Seite, ist auf
der andern in Amerika auch nicht alles Gold, was glänzt. Das gute Essen wird einem bald zur Gewohnheit
und gleichgültig, und beinahe jeder muss sich durch Krankheit akklimatisieren.
6. Oktober
Wer daher nach dem
Westen Amerikas kommt, und seiner Gesundheit und Leben, so viel es von ihm
abhängt, schonen will, der hüte sich, wenn er ans Land kommt, vor übermässigem
Essen und Trinken und hauptsächlich vor frischem Fleisch, Obst und kaltem
Wasser ...
...
Man hüte sich vor
Erhitzung und Erkältung, und bringe, wenn man immer kann, einige Zeit mit
Nichtstun zu, bis man das Klima ein wenig gewöhnt ist; es ist besser, als am
Anfang etwas zu verdienen, das man nachher zehnfach wieder aufopfern muss. ...
...
Wir meinten nämlich
auch, wir seien gescheit und geschickt genug, griffen aber doch vieles ganz
verkehrt an und leierten daran herum, plagten uns und kamen doch nicht
vorwärts. Hätten wir gleich von Anfang einen Zimmermann eine Woche lang gehabt,
so hätten wir jetzt wahrscheinlich statt einem noch nicht fertigen Haus deren
zwei fertig;
20. Oktober
Nun bin ich noch der
einzige Mann auf den Beinen; ich bin jetzt Krankenwärter, Postreiter,
Schreiner, Zimmermann, Koch und dergleichen mehr. Unser Haus ist fertig bis an
den Boden zu belegen, Venus, Boshardt und ich machten das Kamin, Oetrli und ich
haben es von innen und aussen mit Lehm verstrichen. ... Vorgestern hat’s geregnet
und geschneit, gestern und heute morgen
war es stark gefroren.
27. Oktober
Vergangene Woche
hatten wir Juli- und Dezemberwetter ... wir alle schwitzten ohne Unterlass,
alsdann kam ein starkes Gewitter, worauf es wieder ziemlich kühl wurde. ...
...
Bei uns sieht es jetzt
vollends aus wie in einem Krankenhaus
...
Hier, wo der
Lebensunterhalt so leicht zu erwerben ist, finden sich wenige glücklich, zufriedene
Menschen vor, doch gibt es auch viele darunter, die nicht wieder nach Europa
zurückkehrten, selbst wenn sie hier um Hab und Gut kämen. Es vergeht fast kein
Jahr, wo nicht Gesellschaften, die sich in Europa gebildet haben, hier
einwandern, um gemeinsam Hand in Hand sich das Leben zu erleichtern; die aber,
wenn sie sich nicht schon auf der Reise trennen, gewöhnlich auseinanderlaufen,
nachdem sie kaum den Boden Amerikas betreten haben, weil jeder glaubt, hier
sein Glück allein besser zu machen, da keiner des andern Fehler übersehen mag,
und jeder glaubt, er sei besser und verdiene mehr. Dies alles hat sich zum Teil
auch bei unserem Unternehmen bewahrt.. Mein Aufruf, die Gründung von
Neu-Helvetia, so wie die darauf folgenden Statuten, waren schön zu lesen, aber
ein anderes ist es, darnach zu handeln und die guten Vorsätze auszuführen; beim
Lesen von so etwas, lässt es sich zu Hause recht friedlich mit andern leben,
leicht arbeiten, dulden und entbehren, aber wenn die Wirklichkeit vorhanden
ist, so gestalten sich die Dinge anders. Es befanden sich bei unserer
Gesellschaft Leute, die gerne bei wenig Arbeit ein gutes Leben führen, andere
wieder hofften gebackene Fischlein zu fangen, ohne in’s Wasser zu müssen,
sondern andere sollten sie herausholen, wieder andere hatten gute Grundsätze
und waren bereit, jedes Opfer zu bringen, nur sollte sich alles nach ihnen richten...
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