Donnerstag, 20. April 2017

Neu Helvetia

Der konkrete Plan zur Auswanderung wurde dann anfangs 1844 publiziert (ebenfalls bei der Kantonsbibliothek als pdf downloadbar).


Es fanden sich bald genug Reiselustige um einen Verein zu gründen. Der erste Anlauf im Engel in Oberentfelden wurde nach einer Überarbeitung im Rössli in Aarau als Statuten gut geheissen und das Projekt startete durch:


24. März, Generalversammlung, Rössli, Aarau 
Der Vorschuss von 100 Mitgliedern gibt eine Summe von 10'000 Franken; mit diesem Gelde werden alsdann ein Jahr vorher 20 bis 25 vertraute Arbeiter, die für das Unternehmen die nöthigen Eigenschaften besitzen, nach Amerika geschickt, auf dass sie in einer fruchtbaren, gesunden, gut gelegenen Gegend, für den Anfang etwa 1200 bis 1500 Jucharten Land ankaufen, so viel als möglich davon urbar machen und anpflanzen, den Winter über Holz zuhauen, dass den Sommer durch ein Haus zur Not für die nachkommende Gesllschaft könnte erbaut werden und das nötige Werkzeug und Vieh anschaffen

Der amerikanische Landbauer hat nicht die Hälfte Mühe, Pfere, Kühe, Schafe und Schweine lässt er, ohne sie zu füttern, den ganzen Sommer herumlaufen und an Heu für den Winter hat er wieder keinen Mangel... Die Acker geben Korn zu Mehl und Brot und Gemüse, die Viehherden liefern Fleisch, Milch, Butter und Wolle, Spinnen und Weben kann man selbst

Sobald der Landbau erträglich genug ist, die Gesellschaft gehörig zu ernähren, wird man sich sogleich auf den Betrieb der andern Gewerbe verlegen und würde Stiefel, Schuhe, Kleider, Werkzeug, Möbel etc. verfertigen, und was man nicht selbst nötig hätte, verkaufen und von diesem Geld dann anderes einkaufen, was man nicht produzieren könnte

Mutmassliche Kostenberechnung
Von Basel bis Havre die Reise zu 20 Tage,
per Tag zu 1 Franken pro Kopf                                    20.-
die Überfahrtskosten zu 30 Tage
per Tag zu 7 Batzen                                                      21.-
Schifffsgebühr                                                              25.-

Summa                                                                          56.-

Aus den Reiseregeln:
Es soll sich jedes Mitglied für wenigstens auf zwei Jahre mit hinlänglich starken Kleidern versehen, besonders mit 2 bis 3 Paar guten Schuhen oder Stiefeln, 6 bis 10 Hemden, einem Strohhut mit breitem Rand, wenigstens einem Überhemd usw.

Wer Waffen besitzt, soll sie mitnehmen, besonders Doppelflinten und Stutzer.

Wer Handwerkszeug hat, das nicht zu schwer oder zu umfangreich ist, nehme dasselbe mit, als Äxte, Beile, Sägen, Hobel, Reuthausen, schustermechanische und sonstige unentbehrliche Werkzeuge mehr, Ackergerätschaften nicht, weil diese in Amerika viel vollkommener sind als hier, ausgenommen Spaten und Sensen. Hinlängliches Bettzeug, als Matratzen, Unter- und Überdecken, Leintücher und Anzüge, jedoch nicht zu viel von diesen des Raumes wegen; ferner für jede Person einen zinnernen oder blechernen Teller, Messer, Löffel und Gabel, irdenes oder Glasgeschirr der Zerbrechlichkeit wegen nicht.. Für die Kinder zinnerne oder blecherne Nachttöpfe, Waschgeschirr und dergleichen. Wer hier kein eigenes Bett hat, der kauft sich am Seehafen eine wollene Decke und eine Strohmatratze, die immer vorrätig und billig sind....
Von hier kann man mitnehmen, sauber gedörrte Kirschen. Zwetschgen, beschnittene Äpfel, Käse, schabziger, Kirschenwasser, geräuchertes Fleisch, Schinken und Würste, auch eingesottene Butter....
Die übrigen Lebensmittel, als eingesalzenes Fleisch, Zwieback, Mehl, Reis, Gerste, Hafergrütze, Erdäpfel, Eier, Tee, Zucker, Sirup, Wein, Branntwein, Essig und dergleichen werden in Havre gekauft...
Ferner muss ein Auswanderer mit den nötigen Schriften und Pässen versehen sein.

Aus der Allgemeinen Ordnung:  
1) Das Grundgesetz der Gesellschaft, das nicht abgeändert werden darf, ist allgemeine Gütergemeinschaft, so dass keiner, komme was wolle, Herr oder Eigentümer der Kolonie ist, sondern sie und was zu ihr gehört, ist Eigentum sämtlicher Mitglieder der Gesellschaft als solche.

Art 1 Es soll eine Kolonie, Neuhelvetia, im Staate Missouri in Nordamerika gegründet werden, woran jede rechtschaffene, friedliebende, uneigennützige Person, welchen Standes, Geschlechtes, Glaubens oder Landeskind sie sei, mit oder ohne Familie Theilnehmer werden kann.

kein Stand und keine Arbeit hat einen Vorzug über andere...
jedes Mitglied, männlich oder weiblich, sobald es erwachsen, gesund und stark genug, ist verpflichtet, ein in seinem Fache bestimmtes Tagwerk zu verrichten, widrigenfalls es keinen Anspruch auf Nahrung und Kleidung machen kann

Religionsspöttereien, Sektiererei und Proselitenmacherei werden nicht geduldet; es glaube jeder, was er will und lasse hinwieder andern ihren Glauben ungestört. Unmoralische, widerspenstige, streit- und zanksüchtige Personen werden von der Gesellschaft ausgestossen.

Will einer etwas haben ,das nicht jedem Mitglied der Gesellschaft zukommt, z. B. eine Uhr, ein Messer, ein Päckchen Tabak usw. so geht er mit dem Arbeitsbuch ins Magazin, wenn er genug vorrätige Arbeitsstunden hat (auf Borg wird nichts gegeben), und kauft was er braucht z.B eine Uhr hat einen Wert von 100 Arbeitsstunden, ein Messer einen von 6 und ein Päckchen Tabak von 1 Stunde

Der erste Anfang mag etwas schwer sein, auf Arbeit und Entbehrung kann sich jeder gefasst machen, denn in Amerika fliegen einem so wenig die gebratenen Tauben ins Maul als in Europa.

Aus den Statuten des Vereines:
Art 2
Um dem Wucher und der Habsucht alle Mittel und Wege abzuschneiden ... wird ausser dem auswärtigen Handel, in der Kolonie der Gebrauch des Geldes unter den Migliedern nicht gestattet...

Art 17
Es soll die sorgfältige Pflege für Kranke, Gebrechliche, Altersschwache, Waisen und Kinder stattfinden.

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