‚Es gaben einige
hundert Personen, jung und alt, uns das Geleite bis vor die Stadt hinaus, als
wir von Aarau wegfuhren. Etwa 50 kamen bis Schönenwerd mit. Viele reichten
mit tränenden Augen die Hand zum
Abschied, die unter dem Druck der Zeit leiden, mit dem Wunsche, sich aus ihren
bedrängten Verhältnissen herausreissen und mit übers Meer fahren zu können.’
Tagebuchauszüge 'Auf dem Schiff'
gelesen von Bruno Schlatter
Birsfelden, 3. Juni
Heute Morgen brummten
unsere Weiber, dass sie keinen Kaffee fürs Frühstück erhielten und auf Stroh und
Boden schlafen mussten.
Heute Morgen, ungefähr
zweieinhalb Stunden von St. Didel hinweg, wurden 2 Felgen an einem der hinteren
Räder unseres Wagens so schadhaft, dass wir mitten auf der Strasse Halt machen
mussten und so gut es gehen mochte, 2 Notspeichen untersetzten, eine Schiene
mit 2 Nägeln, die viel zu gross war, festnageln. Nachher, wenn’s bergab ging,
konnte die Sperrmaschine nicht mehr angewendet werden, deshalb mussten wir
selbst den Wagen zurückhalten. Es war jedenfalls ein possierlicher Anblick, wie
20 Mann hinten und zu beiden Seiten am Wagen hingen und alle Leibeskräfte
anwandten, ihn zurückzuhalten, bis ihnen der Schweiss aus allen Poren
herausdrang.
Nanzig, 9. Juni
In St. Louis kamen dem
Wirt 4 neue Löffel, etliche Messer und Gabeln abhanden. Ich bitte daher jeden,
der dies zu lesen bekommt, wenn er früher oder später auswandern sollte, sich
still, friedlich und ehrlich auf der Reise zu betragen und die Geistlichen und
Ortsvorsteher, dass sie ihre Angehörigen, welche auswandern wollen, ermahnen und
ihnen zusprechen, dass sie nicht den Namen ihrer Landsleute schänden und
missbrauchen.
Chalons, 13. Juni
Heute hielten wir über
Mittag in La Chaussée, wo es zwischen uns und den Grobianen der andern Wagen zu
einer tüchtigen Schlägerei gekommen wäre, hätte ich mich nicht noch schnell
genug mit noch ein paar andern Vernünftigen zwischen die Streitenden geworfen
und sie auseinander gerissen. Diese unvernünftigen und ungezogenen Menschen
necken uns nämlich seit ein paar Tagen auf alle möglichen Weisen und da wir es
nicht achten, sondern ihrem Unverstande es zuschreiben, so legen sie es uns für
Feigheit aus und werden immer frecher. Wir haben sie mit noch keinem Wort
beleidigt, nur wollen wir mit ihnen nichts gemein haben, dies ist
wahrscheinlich ihr ganzer Hass, ..., es scheint ihnen nicht zu gefallen, dass
es in unserem Wagen friedlicher hergeht als in den andern.
Unsere Reise von Aarau
bis hierher ist, im ganzen genommen, gut und ohne Unfall abgelaufen; nur ist
die Art, wie wir reisten, sehr beschwerlich und mit vielen Unannehmlichkeiten
verbunden. Im Wagen, wo Kisten, Koffer, Körbe und Betten eingepackt sind, ist
für so viele Personen fast nicht genug Raum zum Sitzen; bergan muss man zu Fuss
gehen, sitzt man im Wagen, so wird man derb geschüttelt, wozu die in Frankreich
oft in einem erbärmlichen Zustande sich befindenden Strasse das ihrige
beitragen.
St. Louis, 4. Juni
Heute früh kamen wir
hierher und wurden an der Douane so lange aufgehalten, dass wir hier
übernachten mussten
Den 25.
Vor Tagesanbruch
erwachte ich und hörte, dass es regnete; ich ging hinaus; und da sah ich, dass
die Waren nass wurden, weckte ich einige Kameraden auf, mit deren Hilfe ich
alles, ob uns gehörig oder nicht, auf einen Haufen zusammentrug und ein Dach
von Brettern darüber baute. Kaum waren wir damit fertig und tüchtig durchnässt,
so hörte es auf zu regnen und wir hatten den ganzen Tag hindurch das schönste
Wetter; damit uns aber der Zwieback in der Folge nicht schimmlig werde, mussten
wir die Fässchen öffnen und den nass gewordenen daraus entfernen.
Endlich wird uns
bekannt gemacht, dass wir um 4 Uhr an Bord unseres Schiffes sein sollten. Am
23. Morgens um 10 Uhr kamen wir nach Havre, froh, die beschwerliche Landreise
beendigt zu haben. Gegen Abend nahmen wir Besitz von den uns zugeteilten
Bettstellen im Postschiff Albany, Kapitän Grawfort. Die drückende Hitze, der
Schiffsgeruch und der Dunst, der im Zwischendeck herrschte, gefiel uns
schlecht; ich schlief diese Nacht noch im Wagen
Den 42. Fassten wir im
Magazin des Herrn Barbe unsere Lebensmittel, nämlich auf die erwachsene Person
und Kinder im Verhältnis laut Accord 40 Pfund Zwieback, 15 Pfund geräuchertes
Fleisch, 6 Pfund Butter, 6 Pfund Mehl, 4 Pfund Salz, 5 Pfund Reis, 2 Hektoliter
Erdäpfel, 20 Liter Wein, 1 ½ Liter Branntwein und 1 ½ Liter Essig.
1.Juli
Heute morgen fing das
Bretterdach einer unserer Küchen zu brennen an, das Feuer wurde aber bald
wieder gelöscht. Auch kamen wir auf die hohe See.
etwa um 2 Uhr erblickten wir auf der Oberfläche des Wassers einen schwarzen Punkt, nur so gross wie eine Faust, als er sich näherte, glich es einem schwimmenden Pudel und bald erkannten wir, dass es eine kleine Schaluppe war, von 4 Matrosen geordert, welche den Lotsen an Bord hatte, der unser Schiff in den Hafen von New York geleiten sollte.
...
4. August
Gestern nachts nach 9
Uhr tauchte dann und wann ein Lichteschimmer aus den Wellen hervor, der nach
und nach deutlicher und bald als die Leuchttürme von New York erkannt wurden.
...
Der Eindruck lässt
sich nur fühlen und nicht beschreiben, der sich unser bemächtigte, als die
Sonne aufging und das Ufer beschien; wir konnten uns nicht satt sehen an den
schönen grünen mit Waldungen bedeckten Hügeln, die unten zum Teil mit palastähnlichen
Gebäuden ganz übersät sind.
2. August
Endlich ward uns die
Hoffnung zu Teil, bald ans Land zu kommen.
...
Alles geriet in eine
freudige Bewegung
...
in der Nacht wurde
eine unserer Küchen zusammengeschlagen und über Bord geworfen; des Morgens nach
6 Uhr mussten wir alle, gross und klein, aufs Verdeck, um die ärztliche
Visitation und Abzählung zu passieren, wir mussten unsere Strohsäcke ausleeren
...
die Matrosen warfen
alles, Holz, Fässer und dergleichen über Bord, damit es Platz gab, denn es sah
überall grauenhaft aus
...
Unser Wein ging heute
auch zu Ende, nun bleibt uns nichts mehr übrig als etwas Reis, ein wenig Mehl
und Butter und 12 ganze Fässchen Zwieback.
22. August
Wir kamen gut nach
Cincinati, ausser dass unser Schiff einigemal steckenblieb, einmal 8 und ein
andermal 4 Stunden lang ... Das Auffahren der Schiffe ist bei bei dem niedrigen
Wasserstand etwas so gewöhnliches, dass niemand deshalb eine Miene verzieht.
Ist ein Schiff aufgefahren, so wird es umgewendet, hilft das nicht, so wird ein
etwa 50 Fuss langer Sperrbalken direkt neben dem Schiff auf den Grund gesetzt
und vermittelst einem oben daran befestigten Flaschenzuge mit der Schiffwinde
von der Stelle geschoben, geht das nicht, so werden die Anker an lange Taue
befestigt und mit der Schaluppe hinausgefahren und ausgeworfen, und so das
Schiff über den Sand weggezogen; aber oft ist kein fester Grund da, dass die
Anker nicht fassen können, asldann bleibt nichts übrig als geduldig zu warten,
bis das Wasser den Sand unter dem Schiff wegspült oder es anwächst.
9. August
Der Kanal führte
bisher oft durch öde traurige Gegenden, in welchen nur hie und da eine ärmlich
aussehende Hütte anzutreffen ist, allwo man nichts kaufen kann, das
herumlaufende Hornvieh sieht ganz mager aus und die Milch, die wir bekamen, war
ganz wässrig.
1. September, St.
Louis
Endlich haben wir das
erste Ziel unserer Reise erreicht, gestern gegen 4 Uhr kamen wir hier an
...
Vom gelben Fieber ist
aber hier noch keine Rede, hingegen herrscht das gewöhnliche kalte Fieber
dieses Jahr stärker als andere Jahre, man zählt über 2000 Fieberkranke
8. August
Das Dampfboot führte
uns 40 Meilen weit bis New Heaven, von wo aus wir auf der Eisenbahn bis an den
Delaware befördert wurden und in einem Dampfboot nach Philadelphia übergesetzt
wurden, wo wir nachmittags um 3 Uhr ankamen. Auf der Eisenbahn wurde wir so
derb geschüttelt wie in Deppelers Wagen, wir mochten ungefähr eine Stunde lang
gefahren sein, als etwas an der Lokomotive zerbrach, es dauerte über eine halbe
Stunde, bis sie wieder hergestellt war.
aber die Herren
Agenten, Wirte, Makler, Spitzbuben und Halunken von allen Nationen, versprechen
dem Einwanderer, wenn sie merken, dass er nur noch einen Taler in der Tasche
hat, alles, was er wünscht und gerne hört; sie besitzen darin eine Fertigkeit,
dass ich ihre Überredungskunst oft bewundern musste. Wer daher nach Amerika
kommt, der schenke keinem Gehör, er mag so ehrlich aussehen und scheinen wie er
will; man glaube ja nicht, dass einer jemanden einen Dienst umsonst erweisen
werde; sie sind alle Müssiggänger des Profites halber da.
30. August
Gestern Nacht sind wir
in den Mississippi gekommen... wir sind froh, denn jetzt geht’s rascher
vorwärts.
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